Chargers ziehen nach Los Angeles

Es ist also wirklich passiert: die San Diego Chargers ziehen nach Los Angeles um. Plötzlich hat die Metropole zwei NFL-Teams. San Diego hingegen schaut durch die Finger.

Die Entscheidung lag schon lange auf dem Tisch, nun hat sich Chargers-Owner Dean Spanos zur Relocation entschieden. Und was soll man sagen, Spanos macht sich mit dieser Entscheidung in San Diego ähnlich beliebt, wie seinerzeits Art Modell in Cleveland, als er 1995 verkündete, die Browns würden nach Baltimore umziehen. Doch der Reihe nach.

Warum eigentlich Los Angeles?

Die San Diego Chargers spielten schon einmal in L.A. und zwar zur Gründung 1960. Danach zog man nach San Diego um und sollte dort für die restlichen 55 Jahre bleiben. Warum blieb man nicht in Los Angeles? Weil man schlichtweg nicht beliebt genug war. Die Rams und vor allem die University of Southern California zogen deutlich mehr Zuschauer ins Stadion, als die noch junge Chargers-Franchise. In San Diego fand man schließlich zu mehr Anerkennung. Dass man jetzt wieder nach L.A. zieht, ist für die Anhänger der San Diego Chargers natürlich der Super-Gau. Denn viele Fans wird man in Los Angeles nicht haben, traditionell stellen die Rams und vor allem die Raiders die größte Fanbase.

Chronologie

Als die NFL-Owener im vergangenen Jahr, just auch am 12. Januar, mit 30:2 Stimmen einer Übersiedlung der St. Louis Rams nach Los Angeles zustimmten, wurde den Chargers ebenfalls eine Frist von einem Jahr über eine eventuelle Franchise-Verlegung nach L.A. gewährt. Ständige Vorraussetzung: ein Deal mit den Rams, vor allem über Stadionmodalitäten. Spanos ließ den Namen “Los Angeles Chargers” schützen und schaute sich schnell nach einem Gebiet für ein Trainings- und Bürogelände um. Das fand man in Santa Ana, einer Stadt im Orange County, damit man im Fall der Fälle auch gerüstet ist. Währenddessen konnte man sich mit den Rams über einen Stadiondeal einigen: die Chargers würden 200 Millionen Dollar in das neue Stadion in Inglewood investieren (das Geld dafür wird von der NFL geliehen), später zahlt man den Rams pro Saison einen Dollar Miete. Rein theoretisch hätten die Chargers schon zur aktuellen Saison nach L.A. Umziehen können, man entschied sich aber, noch eine Saison in San Diego zu bleiben.

Denn man sucht hier nach einer Lösung: ein neues Stadion in San Diego muss her, dann würde man in der Stadt bleiben. Die NFL unterstützte dieses Vorhaben indem man (hunderte) Millionen Dollar zur Verfügung stellen würde, sollte es einen Deal zu einem neuen Stadion geben. Schnell wurde ein neuer Standort gefunden, in East Village sollte ein neuer Tempel entstehen. Kosten: 1,2 Milliarden Dollar. Die NFL gab 300 Millionen Dollar als Unterstützung, weitere 350 Millionen würden von Spanos bezahlt werden. Der Rest? Vom Steuerzahler. Man wollte eine Abstimmung über das neue Projekt forcieren. Gleich nach Präsentation des Vorhabens sammelte man über 100.000 Stimmen die sich dafür aussprachen, genug um im November 2016 eine Abstimmung durchführen zu lassen. Der Bürgermeister San Diegos unterstützte die Pläne der Chargers musste aber mitansehen, wie die Bevölkerung der Millionenmetropole sich mit 57-43% gegen einen Stadionneubau entschied. Für Spanos war die Sache damit gegessen, die Übersiedlung beschlossene Sache.

Wo spielt man?

Die Chargers werden zunächst im StubHub Center spielen, dem Fußballstadion von L.A. Galaxy, das ein Fassungsvermögen von 30.000 Plätzen aufweist. Das kleinste Stadion der Liga wird vermutlich nur einmal im Jahr gänzlich ausverkauft sein und zwar dann, wenn die Chargers gegen den Divisionsrivalen aus (noch) Oakland spielen. Das Stadion dürfte dann gänzlich in schwarz und silber glänzen. 2019 zieht man dann in den neuen hypermodernen Temoel der L.A. Rams ein.

Wer gewinnt bei dieser Causa?

Niemand. Absolut niemand. Für Spanos ist der Deal schlichtweg schlecht, zeigt aber, aus welchem Holz er gemacht ist. Man muss sich das vorstellen: Spanos war nicht bereit, mehr als 300 Millionen Dollar aus seiner eigenen Tasche für ein neues Stadion bereitzustellen, zahlt aber liebendgerne 650 Millionen die durch die Relocation fällig werden. Und bitte nicht falsch verstehen: Forbes listete das Vermögen von Spanos auf 2,1 Milliarden Dollar. Natürlich ist der Markt in L.A. Potentiell größer als jener in San Diego, da man dort aber absolut null Fanbase hat, dürften sich die Gewinne im Rahmen halten. Einzig positive Sache ist die Tatsache, dass die Rams derzeit auch alles andere als gut spielen und man sich eventuell durch besonders starke Leistungen von dort ein paar Fans angeln kann.

San Diego ist wie St. Louis im vergangenen Jahr der große Verlierer. Die jahrelangen treuen Fans wurden vor den Kopf gestoßen, großer Unmut machte sich breit. Vor allem die Art und Weise der Entscheidung sorgt für Ärger, Spanos verkündete die Entscheidung in einem Brief und zog sich damit vermeintlich aus der Affäre.

Dass die Bürger San Diegos ihr Steuergeld für weitaus wichtigere Sachen wie ein neues Stadion ausgeben wollen, ist eine gute Sache. Die Stadt gab erst in den 90er-Jahren enorm viel Geld für ein neues Stadion des dort ansässigen Baseball-Klubs aus und musste, wegen eines gekonnten Schachzugs von Spanos, ab 1997 immer alle restlichen Tickets für Spiele der Chargers kaufen, damit es auch ja ausverkauft ist – die NFL hat kein Interesse an halbgefüllten Stadien und zeigt diese Spiele nicht gern im Fernsehen.

Was kann man erwarten?

Football Fans in Los Angeles sind alles andere als angetan von diesem Move. Man wusste das ein zweites Team in die Stadt kommen würde, hoffte aber inständig, dass es sich dabei um die Raiders handeln würde. Die Piraten blicken auf eine enorm erfolgreiche Vergangenheit zurück, die Fanbase ist riesengroß. Dem noch nicht genug, dürften die Chargers nicht einmal die zweit- oder drittgrößte Anhängerschaft in L.A. stellen, Rams, Raiders und Cowboys haben mehr Fans (Dallas trainiert in Oxnard, dort wo auch die Rams mittlerweile trainieren dürfen und genießt deshalb auch starke Beliebtheit).

Es ist wieder einmal eine klassische kapitalistische Entscheidung eines einzelnen gierigen Mannes, der hunderttausende Fans und eine ganze Stadt im Stich lässt. Außerdem steht sportlich genauso wenig fest. QB Philip Rivers betonte immer und immer wieder das er nicht nach L.A. umziehen will. Man weiß noch nicht wie es mit ihm weitergeht, seine acht Kinder dürften mit seiner Frau definitiv in San Diego bleiben. Verliert die Franchise ihr Gesicht (Rivers), ist es wohl der grauenhafteste Umzug in der Geschichte der NFL.

Wenigstens hat man neuen Trainer gefunden: Anthony Lynn, bisheriger Offensive Coordinator der Buffalo Bills und Interims-HC nach der Entlassung von Rex Ryan übernimmt das Team. Ken Whisenhurst soll Offensive Coordinator bleiben, der von den Jacksonville Jaguars entlassene Head Coach Gus Bradley soll Defensive Coordinator werden. Für Lynn ist es die erste Station als Head Coach, er hat bisher noch keinerlei Erfahrung als oberster Trainer. Für ihn sprechen seine Qualitäten als Running-Game-Spezialist, über LeSean McCoy müssen nicht mehr viele Worte verwendet werden. Mit Melvin Gordon stände ja ein weiteres Kaliber in den eigenen Reihen.

 

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