L.A. Rams – wann spielt Goff endlich?

Fans der Los Angeles Rams verlangten beim Spiel ihrer Rams gegen die Carolina Panthers lautstark nach Jared Goff. Der Quarterback, der im Draft an erster Stelle von L.A. ausgewählt wurde, spielte in der Regular Season immer noch keinen einzigen Snap. Wie kann das sein? Ist Goff ein Flopp? Verspielten die Rams ihre Zukunft und hätten lieber Carson Wentz oder Dak Prescott auswählen sollen? Das wissen wir zu diesem Thema:

Carson Wentz. Dak Prescott. Cody Kessler. Kevin Hogan. Jacoby Brissett. Trevone Boykin. Paxton Lynch. Was haben all diese Namen gemeinsam? Sie sind Rookie-Quarterbacks. Und sie haben in der heurigen Saison schon gespielt. Jared Goff, die eigentliche Speerspitze dieses Sepetts, fällt durch den Roster, keine einzige Sekunde stand der Overall-First-Round Pick des heurigen Drafts in der Regular Season auf dem Spielfeld. Hat man sich in Los Angeles verspekuliert?

Natürlich wächst angesichts der starken Leistungen von Wentz und Prescott der Druck auf Head Coach Jeff Fisher, dem jungen Spielmacher endlich eine Chance zu geben, zumal die aktuelle Nummer eins Case Keenum mehr und mehr Schwächen zeigt. Realistisch betrachtet müssen wir uns allerdings einige Faktoren ansehen:

Das war von Anfang an nicht so geplant

Prinzipiell gilt: die Rams wollten Goff immer langsam aufbauen. Es mag den ein oder anderen verwundern, schließlich sprechen wir hier vom Overall-Firstround-Pick, allerdings ist das alles andere als ungewöhnlich: der Übergang von College auf NFL ist nicht unbedingt der leichteste. Wenn man nicht unbedingt gezwungen ist, lässt man Rookie-Quarterbacks erst einmal lernen: Playbook, neues Scheme usw. Aaron Rodgers spielte in seinen ersten drei Jahren überhaupt nicht, hatte aber in Brett Favre einen der bestmöglichen Mentoren. Das war auch Jeff Fisher klar, als man sich im Mai für Goff entschied. Es ist ein Prozess, der nun mal solange dauert, wie er eben dauert.

Carson Wentz’ Erfolg sollte eigentlich auch erst später erfolgen. Die Philadelphia Eagles wollten ihrem künftigen Franchise-Quarterback deutlich mehr Zeit zur Umstellung auf die NFL geben, er sollte ein “Redshirt”-Jahr einlegen, also zunächst einmal nur zuschauen und trainieren, vor allem aber lernen. Hinter einem gestandenen NFL-Spieler wie Sam Bradford sicherlich nicht die blödeste Idee. Nur dann kam den Eagles die schreckliche Verletzung von Minnesotas Quarterback Teddy Bridgewater in die Quere: die Vikings benötigten einen Spielmacher der schnell übernehmen kann und sahen in Bradford die optimale Lösung. Den Firstroundpick eingetauscht, war Bradford schon in Minneapolis, in Philadelphia war man somit wieder in der ersten Runde des kommenden Drafts (der eigentliche Pick ging ja an die Titans um Wentz heuer auszuwählen) und man ging mit Wentz eben früher. Weil er schon vieles mitbrachte, was man in der NFL benötigt.

Dak Prescott wiederum profitierte – so bitter und hämisch das auch klingt – von Tony Romos Verletzung. Prescott spielte eine herausragende Preseason, sodass man sich nicht mehr nach einem erfahrenen Ersatz für Romo umsah – man ging das Risiko ein, mit einem Viertrundenpick zu spielen. Dass soll nicht heißen, dass QBs die in den hintern Runden gedrafted werden automatisch schlechter sind, so viel hat uns die Geschichte um Tom Brady und Johnny Unitas schon gelehrt. Die starke Line der Cowboys verschafft Prescott genügend Zeit um erfolgreich zu sein. Und das ist ein entscheidender Faktor, wenn man Prescott mit Goff vergleichen will.

Anderes System

Denn beide kommen aus Colleges, die eine ähnliche Offensive spielten: Spread-Offense. Der Quarterback steht dabei in der Shotgun (fünf-sieben Yards hinter dem Center), mit mindestens drei Receivern am Feld, die sehr weit entfernt von ihrer O-Line Aufstellung nehmen. Man will, wie der Name schon verrät, das Feld ausweiten um entweder Räume für das Laufspiel oder großen Raumgewinn durch das Passspiel zu kreieren. Goff spielte an der Universität von Kalifornien eine Adaption der Spread-Offense, die sogenannte Air Raid-Offensive. Dabei stehen vier Wide Receiver und ein Runningback am Feld. Große Stärke dieser Formation: sie schafft dem Quarterback enorm viele Möglichkeiten das Spiel je nach gegnerischer Defensive umzustellen. Im Fall von Goff musste er meistens nur einen Linebacker lesen um sich entweder für einen Lauf- oder einen Passspielzug zu entscheiden, quasi Option-Spielzüge. Das kann man auch gemütlich in einer no-huddle-Offensive spielen, meistens kommt man zum Erfolg. Meist durch schnelle, kurze Pässe zwischen 10 und 15 Yards.

In der NFL spielt man hauptsächlich “under Center”, das heißt, der Quarterback steht direkt hinter dem Center. Das hat natürlich Auswirkungen auf das Spiel eines Rookies. Carson Wentz spielte in North Dakota häufig “under Center” und schaffte so vermeintlich leichter den Umstieg von College auf Profiebene. Prescott und Goff oder auch Lynch müssen und mussten dieses Spielsystem erst lernen. Worum geht es hauptsächlich? Footwork. Dadurch dass man den Ball im Gegensatz zur Shotgun-Formation früher in Empfang nimmt, ändert sich logischerweise auch die Schrittfolge bzw. braucht man mehr Schritte. Das klingt vielleicht banal, macht aber einen enormen Unterschied und entscheidet zwischen Erfolg und Misserfolg. Chris Weinke, QB-Coach der Rams, äußerte sich in einem MMQB-Artikel dazu wie folgt: “Er (Goff) ist es gewohnt den Ball zu bekommen und loszulegen. Jetzt muss er Entscheidungen treffen während er den Ball bekommt. Ein gestandener Spieler macht sich über seine Schritte keine Gedanken mehr – er macht es einfach. Ein junger, unerfahrener Spieler, denkt viel nach und beeinträchtigt damit sein Spiel, seine Stärken. Er lernt die Sprache, weiß wie es geht, muss es aber auch umsetzen können.”

Weinke und Fisher wollen sich einfach nicht stressen lassen, man wisse, dass Goff jetzt auch schon bereit wäre. Allerdings noch nicht bei hundert Prozent. Je mehr ein Rookie lernt, desto besser ist er, auch in späteren Jahren. Sieht man sich Rookie-QBs an, die in den vergangenen Jahren sofort ins kalte Wasser geworfen wurden, kann man diese Theorie bestätigen. Jameis Winston zeigt Woche für Woche sein Stärken im Passspiel, trifft aber ähnlich wie Marcus Mariota zu häufig schlechte Entscheidungen. Teddy Bridgewater durfte selten tief werfen, hatte mit Adrian Peterson seine Versicherung im Backfield, ähnlich wie es Precott jetzt mit Elliot in Dallas hat. Derek Carr gibt die Ausnahme und scheint von all den genannten der beste zu sein. Blake Bortles war quasi in einer ähnlichen Rolle, in der sich Goff jetzt wiederfinden würde: auch er wurde nach einem halben Jahr eingesetzt und zeigte zunächst starke Leistungen, vor allem im vergangenen Jahr. Heuer ist der Hund drinnen, Bortles kann seine Leistung nicht bestätigen und wirkt überfordert bzw. sehr unsicher. Das will man in Los Angeles vermeiden.

Warum hat man denn nicht einfach Wentz gepickt?

Aus den Tiefen meiner Draft-Sheets krame ich folgendes, zusammengefasst hervor:

Stärken: Goff zeigte von allen Quarterbacks die besten allgemeinen Wurfqualitäten der heurigen Draftklasse. Genauigkeit und Ballplacement sind sehr stark, durch die Variablität seiner College-Offensive ist er auch sehr stark was die Bewegung in der Pocket (im Video unten schon bei 0:37 zu sehen) anbelangt. Er schafft es auch im laufen den Pass anzubringen, sein Release ist äußerst schnell. Und: er ist geduldig und kann einstecken. Das hat er bei Cal häufig bewiesen, lieber den Sack einstecken, als einen dummen Turnover zu produzieren. Den Monster-Arm hat Goff sicherlich nicht, tiefe Bälle überwirft bzw. unterwirft er gerne (Arm schwächer als Wentz). Goff gilt vor allem wegen seines Spielverständnisses als bester QB dieser Klasse. Für sein Alter gilt er als äußerst abgebrüht.

 

Schwächen: Goffs Spiel muss sich vor allem vor dem Snap verbessern. Nicht immer liest er die Defensive richtig und größere Umstellungen seiner Offensive sind ihm bisher eher unbekannt. Zudem startete Goff fast ausschließlich in der shotgun, er muss also auch andere Formationen noch lernen. Seine tiefen Pässe müssen sich auch noch verbessern. Zudem kommt Goff oft relativ spät ins Spiel, er startet also nicht selten eher bescheiden in ein Spiel.

Abschließend bleibt nur zu sagen: wer Goff jetzt schon abschreibt oder gar als Bust bezeichnet, sollte seine Spielauffassung noch einmal überdenken. Ja, er war noch nicht im Einsatz. Ja, Case Keenum tut alles dafür, dass Goff schneller zu seinem Debüt kommt, als es Fisher lieb ist. Unterm Strich muss man das gesamte Bild betrachten: #1 Pick, künftiger Franchise-QB bei einer Franchise, die nach Jahrzehnten wieder in das große L.A. transferiert wurde. Als wäre der Druck nicht ohnehin schon so groß. Die einzige Frage die wir uns stellen können ist jene: was wollen die Rams und Fisher? Sofortigen Erfolg? Den garantiert Goff auch nicht. Langfristige Nachhaltigkeit? Beim derzeitigen Stand schon eher. Gut Ding braucht Weile. Wir werden Goff heuer noch sehen.

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