seNFLs Top 50: Der Fall der Carolina Panthers

Vom Super Bowl-Teilnehmer auf den Boden der Tatsachen zurückgeworfen: die Carolina Panthers waren in der abgelaufenen Saison eine der größten Enttäuschungen.

Rückblick

Die abgelaufene Spielzeit stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Die bittere Finalniederlage gegen die Denver Broncos war noch lange in den Köpfen der Spieler, man hatte sich natürlich deutlich mehr erhofft. Quarterback-Superstar und MVP Cam Newton sann auf Revanche, wollte gleich im “Super Bowl-Rückspiel” zu Saisonbeginn gegen die Broncos einen Sieg einfahren. Es war ein brisantes Duell, dass am Ende, trotz deutlicher zwischenzeitlicher Führung von Carolina, noch an Denver ging. Panthers-Kicker Graham Gano vergab in letzter Sekunde ein siegbringendes Field-Goal, wurde zuvor von Broncos Head-Coach Gary Kubiak rechtzeitig auf Eis gelegt. Doch das war nicht das Hauptthema dieses Spiels, viel mehr standen die zahlreichen harten und teilweise unfairen Hits im Fokus, die vor allem Newton einstecken musste.

Das ist für den weiteren Verlauf der Saison nicht unwichtig. Carolinas offensives Playbook ist logischerweise auf den Quarterback abgestimmt, man will Newtons Stärken bestmöglich hervorheben. Schon nach Spiel eins – und dem Wunder, dass sich Newton keine Gehirnerschütterung zuzog – musste man das eigentliche Playbook überdenken, hauptsächlich um Cam zu schützen. Dennoch ist eine Auftaktniederlage – gegen den amtierenden Champion mit nur einem Punkt Unterschied – kein Hals und Beinbruch. In Woche zwei zeigte man beim 46:27 Erfolg über die San Francisco 49ers die wohl beste Leistung der Saison: Newton warf vier Touchdowns, Kelvin Benjamin meldete sich nach langwieriger Verletzung mit zwei Touchdowns und über 100 Receiving-Yards zurück und machte den Panthers-Fans Hoffnung, da er das letzte Puzzleteil in der an sich schon starken Offensive darstellen sollte.

Woche drei stellte den ersten Break der Saison dar. Im Heimspiel gegen die Minnesota Vikings konnte man rasch mit 10:0 in Führung gehen, alles schien nach Plan zu laufen. Die Line konnte aber in Folge keinen Schutz mehr für Newton darstellen, er wurde bis zum Spielende satte acht mal zu Boden gerissen und konnte seinem Team somit zu keinen weiteren Punkten verhelfen. Woche vier schlug das Pech endgültig zu, die meisten Fans wollen daran nicht erinnert werden: im Georgia Dome setzte es eine empfindliche 33:48 Niederlage gegen den Divisionsrivalen aus Atlanta. Newton musste mit einer Gehirnerschütterung vom Platz, ebenso traf es Rookie-Cornerback James Bradberry in dieser Partie (Verletzung am Zeh). Matt Ryan warf über 500 Yards, Julio Jones fing 300 davon. In der darauffolgenden Woche gab Derek Anderson gegen die Tampa Bay Buccaneers den Quarterback, konnte aber nicht überzeugen. Die Zuschauer sahen eines der schlechtesten Spieler der gesamten Saison, Tampa konnte sich am Ende dank eines Field-Goals von Rookie Aguayo (der zuvor das ein oder andere vergab) mit 17:14 durchsetzen. Newton meldete sich für die Partie im Louisiana Super Dome gegen die New Orleans Saints zurück, verschlief wie der Rest seiner Mannschaft aber die erste Halbzeit komplett, kam aber in Hälfte zwei umso stärker zurück, musste sich aber am Ende dennoch mit einer knappen 38:41 Niederlage geschlagen geben. Die Bye-Week sollte folgen. Man kam gestärkt aus der Pause zurück, konnte zwei Siege in Folge einfahren (Arizona und L.A. Rams). Die Hoffnung flackerte wieder auf, die Defensive hatte sich in Sachen Pass Rush stark gezeigt (acht Sacks gegen Arizona), Newton hingegen wurde wieder Opfer eines üblen Hits gegen die Rams und sagte anschließend, dass er sich nicht mehr sicher fühle. In Woche zehn kamen die Kansas City Chiefs zu Besuch, wurden nicht gerade freundlich begrüßt (17:3 Führung bis zum Beginn des letzten Viertels) ehe man die Chiefs noch einmal herankommen ließ und Marcus Peters mit einer entscheidenden Interception den Sieg für Kansas City einleitete – Kicker Cairo Santos verwandelte das siegbringende Field Goal.

Woche elf mutierte zum Schockmoment der Saison. Zwar revanchierte man sich gegen die Saints für die Niederlage im ersten Spiel, dennoch verlor man mit Luke Kuechly den Schlüsselspieler der Defensive. Eine Gehirnerschütterung zwang ihn zur Pause, er sollte kein einziges Saisonspiel mehr absolvieren können.

Eine Woche später folgte eines der verrücktesten Spiele, als man bei den Oakland Raiders zu Gast war. Derek Carr führte seine Mannschaft zu einem 24:7 Halbzeitführung, ehe er sich gleich zu Beginn des dritten Viertels den kleinen Finger ausrenkte. Newton und seine Offensive nützen dies schamlos aus, punkteten konsequent bis zur 32:24 Führung im vierten Viertel. Carr kam wieder zurück und führte die Raiders doch noch zum knappen 32:35 Sieg.

Gegen die Seattle Seahawks ging man sang- und klanglos mit 7:40 unter. Im Mittelpunkt des Spiels stand die Posse um Cam Newton, der das Spiel zunächst nur von der Bank aus verfolgen durfte. Head Coach Rivera verbannte ihn auf die Bank, nachdem er den Dresscode des Teams gebrochen hatte. Nachdem sein Backup-QB Derek Anderson die Partie mit einer Interception eröffnete, durfte Newton aufs Spielfeld. Man bäumte sich noch einmal auf, gewann die zwei anschließenden Spiele gegen San Diego (starke Leistung der Defensive mit fünf Turnovers und einem Safety) und Washington, musste die Spielzeit aber mit zwei weiteren Niederlagen gegen Atlanta und Tampa Bay abschließen. Am Ende stand ein Record von sechs Siegen bei zehn Niederlagen zu Buche. Bleibt die Frage: wie konnte das passieren?

Umbrüche – langsam ernährt sich das Eichhörnchen

Ein nicht unwesentlicher Faktor war der Abgang von Josh Norman. Der Cornerback verließ die Panthers in der Offseason in Richtung Washington und hinterließ ein doch größeres Loch als man das zunächst vermuten konnte. Klar, Norman spielte 2015 eine außergewöhnlich starke Saison, dennoch konnte man gerade von Coach Ron Rivera erwarten, dass er die Lücke adäquat schließen würde. Ebenso verlor man in Roman Harper einen Safety und mit Charles “Penaut” Tillman einen weiteren Cornerback. Man wollte diese Personalien durch junge Spieler ersetzen – gleich drei Cornerbacks wurden im Draft ausgewählt (James Bradberry, Daryl Worley, Zack Sanchez). Kurt Coleman, neben Norman einer der besten Spieler der Panthers Defensive-Backs-Einheit 2015, musste wegen des Abgangs von Harper von Free Safety auf Strong Safety umstellen, kam damit aber die gesamte Spielzeit nicht wirklich zurecht. Bené Benwikere wurde nach der katastrophalen Performance gegen Atlanta gefeuert. Im Anschluss übernahmen die drei Rookies alle Cornerback-Positionen, wobei vor allem Bradberry überzeugen konnte.

Der herbste Verlust war natürlich jener von Luke Kuechly. Ihn kann man nicht ersetzen, er ist einer der intelligenteste Defensivspieler der gesamten Liga, sein IQ gepaart mit seinem unbändigen Willen stechen heraus. Thomas Davis (der leider nicht jünger wird) und Shaq Thompson versuchten wirklich alles um den Verlust Kuechlys so gering wie möglich zu halten, der direkte Ersatzmann – David Mayo – machte seine Sache so gut es ging. Gerade die Entwicklung von Thompson stach ins Auge, er machte in seinem zweiten Profi-Jahr einen ordentlichen Schritt nach vorne. Die D-Line um Kawann Short war mehr als solide, an dieser Positionsgruppe scheiterte es nicht, wenn sie mit Kony Ealy auch einen Pass-Rusher in der aktuellen Offseason an die New England Patriots verloren (wobei Ealys Leistung in der abgelaufenen Spielzeit nicht wirklich das gelbe vom Ei war).

Alles in allem kann man Sean McDermott, dem neuen Head Coach der Buffalo Bills, nur gratulieren. Er machte wieder einmal einen sehr guten Job als Defensive Coordinator der Panthers. Normans Abgang wurde zwar nicht sofort kompensiert, im Laufe der Saison funktionierte aber auf defensiver Seite sehr vieles sehr gut. Ohne den Ausfall von Kuechly wäre sicherlich mehr drin gewesen. Womit wir zur anderen Seite kommen.

Nicht geladene Waffen – ratlos nach Woche eins

Wie oben schon beschrieben ist Carolinas offensives Playbook auf die Stärken von Cam Newton abgestimmt. Laufspiel ist deshalb ein großer Faktor. Da Newton aber schon im ersten Saisonspiel viel zu viel einstecken musste, vertraute man dem Plan nicht mehr wirklich. Man versuchte mehr oder weniger gut andere Dinge zu forcieren, um Newton aus der Gefahrenzone zu schaffen. Prinzipiell hatte der ehemalige MVP mit einigen Problemen zu kämpfen, war als reiner Passer – wenn wir uns ehrlich sind – sehr bescheiden. Newton brachte nur knapp die Hälfte seiner Pässe bei einem Mitspieler an (52.9%), oft fehlte es ihm an der richtigen Abstimmung, der richtigen Beinarbeit. Die schlechten statistischen Zahlen gehen nicht zu 100% auf seine Kappe, ihn umgab eine von Verletzungen geplagte O-Line und damit fehlte es ihm oft an der nötigen Zeit.

Dennoch müssen wir hier wieder auf das angesprochene Playbook zurückgreifen: Newton lief zwar immer noch mit dem Ball – wenn auch nicht so viel wie in seiner MVP Saison – wird aber auch sehr konservativ eingesetzt. Mike Shula, Offensive Coordinator der Panthers, ist kein besonders großer Freund von gepflegtem Passspiel. Er zieht die Offensive lieber über das Laufspiel auf. In Newton hat er einen Quarterback mit einem sehr starken Arm und einem sehr schnellen Release, der aber Probleme mit Passgenauigkeit hat. Man könnte also auch vermehrt auf kurze Pässe gehen, hat man doch in Kelvin Benjamin und Devin Funchess zwei große Spieler die sich dazu perfekt anbieten würden. Das wird aber, soviel dürfte auch nach dem Draft klar sein, unter Shula nicht mehr passieren. Newton muss oft auf gedeckte Receiver werfen – meist hat er damit keinen Erfolg.

Die Unterstützung aus dem Backfield kam in Person von Jonathan Stewart, wenn dieser auch nicht mehr der jüngste und schnellste Läufer der Liga ist. Die O-Line wurde von Verletzungen gebeutelt, einige Spieler – insbesondere Michael Oher – konnten an die guten Leistungen aus der Vorsaison nicht mehr anknüpfen.

Was kommt?

Christian McCaffrey und Curtis Samuel. Zwei ähnliche Spieler, die perfekt in das Laufsystem von Shula passen. Damit verstärkte man im Draft die Offensive enorm. Näheres wird dazu ab Juli in einem ausführlichen Offseason-Report folgen.

Das Jahr 2016 war ein bitteres für Fans der Carolina Panthers. Viele Verletzungen und ein nicht optimaler Gameplan gepaart mit einigen jungen, unerfahrenen Spielern ließen nicht mehr zu. Bleiben alle fit, kann Rivera zusammen mit Shula und Neo-DC Steve Wilks die Spieler noch besser einsetzen, werden die Panthers 2017 in einer der umkämpftesten Divisionen um den ersten Platz wieder mitkämpfen.

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