seNFLs Top 50: Giants D-Men

Die Defensive der New York Giants zeigte sich in der abgelaufenen Saison deutlich stärker als noch in den Jahren zuvor. Unter anderem dafür verantwortlich waren sicherlich die Verpflichtungen von Damon Harrison, Olivier Vernon und Janoris Jenkins. Harrisons Hintergrund ist dabei einer der spannendsten der vergangenen Jahre.

Steinig ins Leben

Es ist eine der Geschichten, die nur der Football schreibt. Als Damon Harrison 2012 im Draft nicht ausgewählt wurde, schien die Karriere zum zweiten mal vorbei zu sein, ehe sie richtig begonnen hatte. Einige Jahre zuvor wurde Harrison von den großen Universitäten übersehen bzw. war ihnen überhaupt kein Begriff. Harrison spielte an einer Highschool in seinem Heimatstaat Louisiana zunächst nur Basketball, verletzte sich in seinem Junior-Jahr aber schwer am Knie und legte in Folge dessen enorm viel Gewicht innerhalb nur weniger Monate zu (20-25 Kilogramm).

Er entschied sich in seinem Senior-Jahr Football zu spielen, mit 1.93 Meter Körpergröße bot sich eine Position in den jeweiligen Lines an. Und das sollte auch gleich passen, Harrison wurde sowohl zum besten Offensiv-Lineman als auch als bester D-Liner seiner Highschool ausgezeichnet. Das einzig große Problem an der ganzen Sache: die Universitäten rekrutieren meistens auf Grund der im Junior-Jahr gezeigten Leistungen. Da Harrison zu diesem Zeitpunkt aber noch als Shooting-Guard Basketball spielte, flog er unter dem Radar der Scouts durch. Er musste einen anderen Weg wählen, konnte nicht auf den Luxus eines Stipendiums zurückgreifen. Aber er gab nicht auf, schrieb selbst E-Mails an verschiedene Colleges und wollte sich so um ein Stipendium bewerben. Einer hat sich gemeldet: Steven Miller vom Northwest Mississippi Community College (NMCC).

Wal-Mart

Harrison ergriff die Chance, zog von Louisiana nach Mississippi. Leider merkte er schnell, dass er nicht mithalten konnte, da er noch nie so stark im Training stand. Harrison verließ die Uni schon wieder nach nur einem Semester, schloss mit dem Traum einer Football-Karriere ab. Zurück in seiner Heimatstadt Lake Charles sollte er zunächst als Nachtarbeiter in einer Wal-Mart-Filiale die Regale füllen, ehe sich das Schicksal doch noch einmal wenden sollte: sein ehemaliger Coach Steve Miller wechselte von NMCC zur William Penn Universität, einem kleinem College in Iowa, und wollte Harrison ins Team holen. William Penn gehört spielt nicht in der NCAA sondern nimmt an der “Schwesternliga” NAIA teil – vergleichbar mit der zweiten Division der NCAA. Miller rief bei Harrisons Mutter an, unterrichtete sie von der Möglichkeit eines Football-Stipendiums für ihren Sohn. Minuten spielten dabei eine große Rolle, denn Wal-Mart meldete sich just nach dem Anruf Millers bei den Harrisons und boten ihm einen Vollzeit-Job an: “Hätte Wal-Mart zuerst angerufen, hätte ich die Stelle angenommen”. So ging die Karriere von Harrison doch noch einmal weiter und er schloss sich seinem ehemaligen und gleichzeitig neuen Coach an.

Wie unvorbereitet Harrison auf Iowa war, zeigt folgende Szene: Miller und alle weiteren Rekruten fuhren mit dem Cheep nach Iowa, in den Norden Amerikas, wo es gelegentlich schneit, zumindest deutlich öfter als im gewohnten Süden der Staaten. Harrison hatte Schnee noch nie in dieser Form erlebt, seine Kameraden und er verwendeten die Uniausweise (in Kreditkartenform) als Eiskratzer, fielen – als sie die Tür des Autos öffneten – erst einmal zu Boden. Der Schnee hat seine Tücken. Harrison interessierte sich nicht für seinen neuen Standort, der spielte keine Rolle für ihn. Auch an die NFL dachte er zu diesem Zeitpunkt nicht – ihm ging es ganz allein um den College-Abschluss. Harrison war in seiner Familie der erste mit einem High School-Abschluss, er wollte sich und seinen Angehörigen ein besseres Leben ermöglichen. Mit dem von Miller versprochenen Stipendium war dieses Vorhaben zum Greifen nahe.

Ungewollt – erfolgreich

Bei William Penn startete Harrison in allen 44 Spielen, kam auf insgesamt 224 Tackles, sechs Sacks, forcierte vier Fumbles, konnte derer drei aufnehmen und verteidigte vier Pässe. Wohlgemerkt in der NAIA. Für den Draft bedeutet das: mit Glück fällt man auf und wird in den späteren Runden gezogen. Harrison wurde bestenfalls als Viertrundenpick eingeschätzt, eher aber als Spieler, der seinen Namen wohl auch nicht an Tag drei des Drafts hört. “Am dritten Tag hab ich schon einen Anruf erwartet. Ich war in ständigem Kontakt mit einigen Teams – sowohl in der sechsten als auch in der siebten Runde. Als der Anruf ausblieb, traf mich das hart, ich fragte mich was ich nun tun soll”, sollte Harrison später sagen. Nur sein Agent meldete sich bei ihm, um das weitere Prozedere zu erklären. Zwölf Teams meldeten sich bei Harrison um ihn ins Trainings Lager einzuladen, bei den New York Jets schließlich sollte er die besten Konditionen erhalten: man versprach ihm, dass er volle zwei Jahre im Team als Mitglied der Practice Squad sein sollte (versprechen ist insofern schon sehr falsch, da, wenn ein Spieler in einer Practice Squad steht, bedingungslos von einer anderen Franchise unter Vertrag genommen werden kann) und im dritten Jahr um einen Platz am Roster kämpfen könne.

Harrison interessiert(e) sich nicht für solche strikten Zeitpläne: “Jeder der mich kennt weiß, dass ich mir von niemandem irgendwelche Grenzen vorschreiben lasse. Ich mag es nicht, wenn mir jemand erklären will, was ich kann und was ich nicht kann. Das nervt mich. Ich habe also diesen Vorschlag der Jets als Motivation genommen.” Und ergatterte schon im ersten Jahr einen Platz im 53-Mann Kader, ehe er im zweiten Jahr als Starter auflief. Zwischen 2013 und 2015 verpasste Harrison kein Spiel, die Lauf-Defensive der Jets schloss in diesen Jahren schlechtestenfalls auf Rang fünf ab. In dieser Zeit kam er auch zu seinem legendärem Spitznamen “Snacks” – Harrison snackte immer während der Film-Meetings, D-Line Coach Karl Dunbar und Jets-Ex-Caoch Rex Ryan waren für den Namen verantwortlich.

Big money, big men

Ben McAdoo fackelt nicht lange. Das sah man in der abgelaufenen Spielzeit in einigen Situationen, er ist ein Mann der aufs ganze geht. Abgesehen von der ohnehin schon starken Offensive der Giants (die Eli Manning alles andere als solide über das Feld führte – ein Artikel dazu folgt noch), mussten die Giants doch noch einige Baustellen in der Defensive beseitigen. McAdoo ließ enorm viel Geld in der Offseason liegen, sicherte sich mit Harrison, Olivier Vernon und Janoris Jenkins die jeweils besten Spieler auf deren Positionen. Harrison tat sich anfangs schwer mit der Entscheidung eines Wechsels, vor allem von grün auf blau zu wechseln schien ihm nicht wirklich in’s Bild zu passen. Aber er wollte ein neues – gut bezahltes – Kapitel beginnen. Schlussendlich unterschrieb Snacks einen Fünfjahresvertrag über 46.2 Millionen Dollar, 24 davon garantiert. Erster Ansprechpartner beim neuen Arbeitgeber war sein D-Line-Kollege Jordan Hankins: “Big Hankins ist mein Mann. Er war der erste den ich von den Spielern kontaktierte.” Beide sollten schnell enge Freunde werden, die sich privat als auch auf dem Feld fantastisch verstehen. Und Harrison spielte in seiner ersten Saison groß auf, fraß gegnerische Runningbacks regelrecht auf, setzte sich mit Bravour immer gegen zwei Gegenspieler durch und wurde am Ende des Jahres erstmals ins All-Pro First-Team einberufen.

Zeitgleich stieß Olivier Vernon zum Team, einer der besten Defensive Ends der letzten Jahre. Auch hier griffen die Giants tief in die Tasche (85 Millionen Dollar über fünf Jahre, 40 Millionen garantiert), auch hier sollte es sich auszahlen. Während Harrison zum mit Abstand besten Nose-Tackle der gesamten Liga aufstieg bzw. seinem Ruf gerecht wurde, spielte Vernon trotz anfänglicher Verletzungen eine herausragende Saison, gilt Vernon laut Pro Football Focus als bester rechter Defensive End der NFL, am Ende kam er auf 63 Tackles, 8.5 Sacks und einen forced Fumble.

Durch die Kraft und die Leistungen von Harrison sind die Giants in einer hervorragenden Position, können von außen Druck aufbauen, was nicht nur Vernon, sondern auch Jason Pierre Paul profitieren lässt. Die Line, auch mit Hankins, funktionierte in der vergangenen Spielzeit wie nur ganz wenige (und dass trotz der durchwachsenen Leistungen von Hankins).

In der Secondary verstärkte man sich mit Rookie Eli Apple und Janoris Jenkins, die zusammen mit Dominique Rodgers-Cromartie eines der besten Cornerback-Trios der Liga bildeten. Jenkins galt wie Harrison und Vernon ob der Monsterverträge als gewisser Risiko-Pick, konnte aber ebenfalls überzeugen. Vor allem seine Leistungen Dez Bryant und die Dallas Cowboys blieb nachhaltig in Erinnerung.

Landon Collins machte von allen Spielern der Giants den größten Schritt, stieg zu einem der besten Safeties der Liga auf und wird hier nur temporär erwähnt – er verdient sich noch einen eigenen Text.

Harrisons Geheimnis

Natürlich will jeder das Erfolgsrezept von Damon Harrison wissen. Wie konnte er vom undrafted Rookie zum besten Nose-Tackle der Liga werden? Harrison will es nicht verraten, viel lieber später ein Buch schreiben, das natürlich so gut wie möglich verkauft werden soll. Für einen Spieler der aus der NAIA kommt, ist seine Karriere einzigartig. Mit acht Jahren gab er seiner Mutter ein Versprechen, er würde ihr ein Haus kaufen. 19 Jahre später erfüllte er es:

Alles läuft also wie geschmiert für den 28-Jährigen – bis auf eine Sache: der Abgang von Hankins in Richtung Indianapolis schmerzt ihm besonders. “Er ist wie ein Bruder für mich. Ich bin traurig, dass er weg ist aber auch glücklich, dass er endlich anständig gezahlt wird. Es war bittersüß – aber auf der anderen Seite bin ich zuversichtlich, dass wir genug Talent im Team haben, um ihn zu kompensieren.” Mit Robert Thomas, Jay Bromley und Zweirunden-Pick Dalvin Tomlinson kämpfen drei Spieler um die vakante Position. Aber die D-Line funktioniert so oder so, auf den Linebacker-Positionen herrscht noch Handlungs- bzw. Ausbaubedarf. Dennoch – Damon Harrison und seine Mitspieler werden auch in der kommenden Saison wieder zu den besten Defensiv-Einheiten der Liga zählen.

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