Dak Prescotts Saison war zweifelsohne herausragend, am Ende wurde er sogar als Offensive Rookie of the Year betitelt. Würde man strikt nach Leistung und weniger nach dem Siegesverhältnis gehen, Jordan Howard hätte sich diese Auszeichnung verdient. Glaubt ihr nicht? Dann lest weiter.
Der Background
“Value-Picks in den späten Draftrunden sind nichts wert, am Ende landen die Spieler die so sehr bejubelt werden wieder in der Practice Squad”. Eine Meinung die sehr häufig herrscht, mitunter auch zurecht. Echte Steals sind im Draft nicht gang und gäbe, dennoch kommen sie viel öfter vor, als man das vielleicht vermuten möge. Definitiv als solcher Steal stellte sich Jordan Howard heraus. Der Runningback wurde von den Chicago Bears in der fünften Runde des NFL Drafts 2016 gepickt, stellte den zehnten ausgewählten Runningback des Drafts dar. Die Bears benötigten nach dem Abgang von Matt Forte noch Tiefe im Backfield, obwohl sie mit Jeremy Langford ihre vermeintliche neue Nummer eins schon gefunden hatten.
Howards College-Karriere begann an der Universität von Alabama-Birmingham, einem nicht sehr bekannten College, das aber an der höchsten College-Liga teilnimmt. Howard spielte gut, kam in elf Spielen auf knapp 900 Yards und zwei Touchdowns (zusätzlich noch vier Receptions und einen Touchdown) und sollte mit 6.1 Yards per Carry den zweithöchsten Rushing-Wert seiner Conference darstellen. Ein Jahr später erfolgte sein endgültiger Durchbruch, als er mit 1.587 Rushing-Yards einen neuen Schulrekord aufstellte und auf 13 TDs kam. Dann der große Schock: die Universität strich nach der Saison 2014 das Football-Programm, das Geld fehlte, die Spieler mussten sich ein neues College suchen. Howard schloss sich der Universität von Indiana an und konnte dort an seine Erfolge aus der Vergangenheit anschließen: in nur neun Spielen kam er auf 1.213 Yards und neun Touchdowns bei 196 Versuchen – zusätzlich verzeichnete er elf Receptions für 106 Yards und einen Touchdown. In drei Spielzeiten auf Universitäts-Niveau konnte Howard pro Carry im Schnitt einen Raumgewinn von 5.8 Yards verzeichnen. Vor dem Draft erhielt Howard von nfl.com das dritthöchste RB-Rating, man war sich sicher, dass er an Tag zwei vom Board gehen würde. Wie konnte er dann erst in Runde fünf gewählt werden?
Viele waren ob seiner Gesundheit besorgt: Howard verpasste einige Spiele wegen Knie- und Knöchelverletzungen. Man ließ sich nicht von den guten Zahlen blenden, spielte Howard doch in eher mäßigen Conferences und wurde selten im Passspiel berücksichtigt. Chicago schlug in der fünften Runde zu. Und sollte es nicht bereuen.
No running back gained more yardage between the tackles in 2016 than Jordan Howard of the @ChicagoBears. pic.twitter.com/XMLqHtOXBu
— Pro Football Focus (@PFF) May 11, 2017
Das große Erbe
Wenn es einen Runningback gibt, der im vergangenen Jahrzehnt zu Unrecht am wenigsten Beachtung geschenkt bekommen hat, dann ist es Matt Forte. Der Veteran, mittlerweile bei den New York Jets unter Vertrag, spielte insgesamt acht Spielzeiten bei den Bears, war die Lebensversicherung wenn nichts mehr ging. Als sein Vertrag nach der Saison 2015 nicht verlängert wurde, schäumten die Fans vor Wut, verloren sie doch nicht nur einen Publikumsliebling sondern auch eine Identifikationsfigur. Aber Runningbacks die das 30. Lebensjahr vollenden haben in der Liga fast keine Zukunft mehr, man muss sich also anderweitig orientieren. Jeremy Langford übernahm schon während Fortes letzter Spielzeit mit den Bears mehr und mehr die Rolle des ersten Runningbacks, war vor allem auch im Passspiel ein wichtiger Faktor für Jay Cutler. Doch hinter ihm war noch Platz frei.
Jordan Howard schaffte es als dritter Runningback hinter Langford und Ka’Deem Carey ins Team, überzeugte vor allem in der Preseason. Auf Grund von Verletzungen seiner beiden ärgsten Konkurrenten kam er schon in Woche vier zu seinem Starting-Debüt und sollte diesen Posten bis zu Saisonende behalten. Und boy, kann dieser Junge spielen. Auch wenn die O-Line der Bears sukzessive besser wurde (auch dank Rookie Cody Whitehair) zeigte Howard Woche für Woche eine herausragende Leistung, hatte bis auf zwei Aussetzer (Jacksonville und Green Bay) eine hervorragende Leistung abgerufen. Schon in seinem ersten Spiel von Beginn an gab er mit 111 Rushing-Yards eine empfindliche Duftprobe ab, konnte diese eine Woche später mit 118 Yards gegen die Indianapolis Colts bestätigen. Es folgten die angesprochenen Aussetzer, ehe er sich mit 153 Rushing-Yards gegen die starke Defensive der Minnesota Vikings wieder zurück meldete. Es sollte in ähnlicher Manier weitergehen, Howard war offensiv der einzige Lichtblick der Bears-Offensive (nimmt man Brian Hoyer raus).
Warum hätte er Rookie of the Year werden sollen?
Howard beendete die Saison mit 1.313 Rushing-Yards (zweiter hinter Ezekiel Elliott), lief in insgesamt sechs Spielen über 100 Yards, wurde logischerweise in den Pro Bowl gewählt. Er egalisierte den Rookie-Franchise-Rushing-Rekord von Matt Forte – all das mit insegsamt 70 Versuchen weniger als Elliott (er kam auf 1.631 Yards bei einer nicht vergleichbaren O-Line). In seinen ersten drei Saisonspielen bekam Howard ganze zwölf mal den Ball. Würde er nicht bei den Bears spielen bzw. hätten diese auch nur im Ansatz einen positiven Record, Howard wäre im ROTY-Rennen ganz weit vorne gewesen. Aber all das ist nicht wichtig.
Mit Jordan Howard haben die Bears einen Playmaker in ihren Reihen, einen Spieler der nicht aufgibt, um jedes Yard kämpft. Auch wenn ihm der endgültige Speed fehlt, seine Fähigkeiten sich durch enge Löcher hindurchzuzwängen sind außergewöhnlich. Gerade jetzt, da Chicago einen neuen Quarterback unter Vertrag genommen hat bzw. mit Mitchell Trubisky den vermeintlich neuen Franchise-QB gefunden hat ist diese Tatsache enorm wichtig. Man kann sich auf Howard verlassen. Jeremy Langford sollte bzw. könnte derweil eine ähnliche Rolle wie Andre Ellington bei den Arizona Cardinals einnehmen und auf Receiver wechseln. Erstens brauchen die Bears Passfänger dringender denn je, zweitens kann Langford Bälle fangen, drittens hat man mit Tarik Cohen einen weiteren Runningback im Draft verpflichtet.
Auch wenn die Bears noch einige Baustellen vor sich haben – das Backfield sollte stimmen.
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